
Die Wahlergebnisse sind mehr oder weniger bejubelt oder verdaut, da stellen sich die nächsten Fragen, bevor der Einbecker Stadtrat am 2. November und der Northeimer Kreistag am 4. November zu den ersten, konstituierenden Sitzungen in neuer Besetzung zusammenkommen:
Mehrheiten: Im Kreistag ist die bisherige Rot-grüne Mehrheitsgruppe ohne Mehrheit. Das liegt an den Grünen, die zwei Mandate einbüßten, aber auch an der SPD, die einen Kreistagssitz weniger besetzen kann. Spannend wird deshalb sein, ob sich eine Ampel-Koalition bildet, also aus Rot-gelb-grün, aus SPD, FDP und Grünen. Sie hätte eine sichere Mehrheit (20+4+3) im 50-köpfigen Kreistag und war sich schon bei der jüngsten Sparrunde im Kreistag in vielen Dingen einig, bei denen die CDU nicht mitstimmen konnte. Oder eher aus Profilsucht nicht wollte? Einer Zusammenarbeit mit der SPD hat die CDU quasi schon selbst eine Absage erteilt. Es müssten Kompromisse geschlossen werden im Acht-Parteien-Kreistag, aber nicht um jeden Preis: „Die Inhalte müssen mit dem CDU-Programm kompatibel sein.“ Welche SPD, bitte, soll bei solchen Forderungen zu Kompromissen bereit sein? Im Einbecker Stadtrat bleibt die SPD die mit Abstand stärkste Fraktion, eine „Gestaltungsmehrheit“ gelang ihr aber nicht. Und diese erreicht sie auch nicht zusammen mit den Grünen (19+2) im 44-köpfigen Rat. Mit GfE/Bürgerliste hat die SPD zwar den Rathauskauf eingetütet, die Unabhängige Wählergemeinschaft hat aber nach der Wahl bereits klar gemacht, dass sie ihrem Namen alle Ehre machen und unabhängig bleiben möchte. Am Wahrscheinlichsten sind im Stadtrat daher wechselnde Mehrheiten bei jeweils anstehenden Sachfragen.
Fraktionen/Gruppen/Fraktionsvorsitze: Die SPD muss gleich zwei Fraktionschefs ersetzen, Martin Wehner im Kreistag, Margrit Cludius-Brandt im Stadtrat, beide waren bei der Wahl nicht wieder angetreten. Wer wird Nachfolger in Northeim, wer in Einbeck? Betrachtet man einmal die Anzahl der Stimmen, die die verschiedenen möglichen Bewerber erzielt haben, läuft im Kreistag nominell alles auf Uwe Schwarz (4784) und Frauke Heiligenstadt (3933) hinaus. Die jedoch in Hannover als MdL bzw. Ministerin einen Fulltime-Job haben und schon bei der vergangenen Wahl verzichtet hatten. Ulrich Minkner, ehemaliger Einbecker Bürgermeister und davor lange Jahre bereits im Kreistag politisch aktiv, vereinigte bei der Kreistagswahl 2034 persönliche Stimmen auf sich und hat damit Gewicht. Alle anderen potenziellen Kandidaten haben weniger Stimmen erhalten, auch der ambitionierte Northeimer Simon Hartmann (1381). Im Einbecker Stadtrat dürfte sich Marcus Seidel (als örtlicher SPD-Vorsitzender) durchsetzen, auch wenn man die Stimmengewichte von Dirk Heitmüller (1067), Alexander Kloss (662) und Ulrich Minkner (727) nicht wird außer acht lassen können. Im Rat ist außerdem noch der Posten der Ratsvorsitzenden neu zu besetzen, nachdem Bernd Amelung (SPD) nicht wieder angetreten ist. Auch für diesen Job könnte einer der genannten in Frage kommen.
Bei der CDU gibt es ebenso Stimmen-Gewichte, an denen man bei der Wahl des Kreistagsfraktionsvorsitzenden imgrunde nicht vorbei kommt: 4119 Einzelstimmen für Dr. Roy Kühne im Gegensatz zum bisherigen Fraktionschef Heiner Hegeler (709 Stimmen) sprechen eine deutliche Sprache. Indes: Ob der Bundestagsabgeordnete und CDU-Kreisvorsitzende ein solches weiteres, die volle Kraft verlangendes politisches Amt stemmen kann, erscheint fraglich. Es könnte da eher vieles auf Dr. Bernd von Garmissen hinauslaufen, der respektable 2511 persönliche Stimmen einfahren konnte. Der zwei Mal unterlegene Landratskandidat der Christdemokraten könnte sich als Fraktionschef außerdem für weitere Kandidaturen warmlaufen, die 2018 anstehen.
Und die FDP hat bei der Wahl ihres Fraktionschefs ein Comeback zu berücksichtigen: Dr. Christian Eberl ist wieder hier, in seinem Revier, das er bereits bis 2002 politisch beackert hat. Nach Kurzzeit-Bundestagsmandat in Berlin und Staatssekretär-Posten in Hannover kehrt der 62-Jährige zurück zu den kommunalpolitischen Kreistagswurzeln.
Ausschüsse: Der Einbecker Stadtrat hat zurzeit neun Ausschüsse – mindestens einen zu viel. Über die Überflüssigkeit des Kernstadtausschusses, der Dinge behandelt, die eigentlich in den Bau- oder Stadtentwicklungsausschuss gehörten (oder dann nach dem Kernstadtgremium dort überflüssigerweise nochmal doppelt beraten werden), habe ich mich hier bereits mehrfach geärgert, äh geäußert. Es wird nicht so kommen, dass es diesen Kernstadt-Ortsrat in Zukunft nicht mehr gibt, weil die SPD als stärkste Fraktion ja einen besonderen Faible für den Ausschuss hat und das als Bürgernähe verkauft. Auf die Überflüssigkeit hinzuweisen werde ich aber weiterhin dürfen. Gedanken machen sollte sich die Politik grundsätzlich, ob sie die Zahl der Ausschüsse beibehält. Ich plädiere dafür, die Zahl zu reduzieren und Bauen und Stadtentwicklung zusammen zu fassen. Mit einer reduzierten Zahl von Gremien sollte die Kommunalpolitik dann lieber einmal öfter tagen (was nicht nur die Tagesordnungen verkürzt). Ich weise nur mal darauf hin, wann sich der Stadtentwicklungsausschuss letztmals getroffen hat: am 14. Juni ! Ungeachtet einer eingeräumten Sommerpause: Es scheint ja in diesem Bereich aktuell überhaupt keine Themen zu geben, die von der Politik öffentlich beraten, vorangetrieben und entschieden werden müssten. Also, mir würden ein paar einfallen: Neustädter Kirchplatz, Möncheplatz, ZOB-Planung, Marktstraßen-Neugestaltung. Und so weiter.
Aufsichtsräte: Bei seiner konstituierenden Sitzung wird der neue Stadtrat wie üblich ein zuvor zwischen den Fraktionen besprochenes Personaltableau absegnen. Darunter sind auch die Entsendungen von Ratsmitgliedern in Aufsichtsräte, beispielsweise bei den Stadtwerken, der Ilmebahn oder der Einbecker Wohnungsbaugesellschaft. Und bei der Einbeck Marketing GmbH (EMG). Rainer Koch jedenfalls wird dort nicht mehr lange Aufsichtsrat-Vorsitzender sein können, weil er bei der jüngsten Stadtratwahl nicht wieder angetreten war und künftig nicht mehr im Stadtrat ist. Der neue Stadtrat wird neue Mitglieder in den Aufsichtsrat entsenden (zum Beispiel auch die SPD, für die die bisherige, ebenfalls nicht mehr angetretene Fraktionschefin Margrit Cludius-Brandt dort vertreten war, und auch die CDU, deren bisheriges Rats- und Aufsichtsratsmitglied Jörg Brödner den Wiedereinzug in den Stadtrat verpasste). Es besteht zudem die Chance, den vielzu großen Aufsichtsrat endlich zu verkleinern, wenn die angekündigten Strukturveränderungen bei der EMG umgesetzt (und noch vom alten Rat beschlossen oder zumindest final vorbereitet) werden.