Die regelmäßigen, treuen Leser dieses Blogs kennen das schon, einige warten sogar sehnsüchtig darauf, sobald sich das Jahr dem Ende neigt. Und so ist für einige schon heute Bescherung. Anderen ist für die Feiertage, an denen der kommunalpolitische Betrieb ruht und das Neue Rathaus geschlossen ist, ein wenig Diskussionsstoff für die Gespräche nach Gans, Glühwein und Geschenken im Kreise der Familie und Freunde mit auf den Weg gegeben. Hier kommt also die Agenda 2020, die Tagesordnung für das kommende Jahr aus meiner Sicht:
Dieses Thema wird die politische Agenda in Einbeck im Jahr 2020 bestimmen, zweifellos: Denn am 13. September wird der Chefposten im Rathaus besetzt, die achtjährige Amtszeit der Bürgermeisterin läuft aus. Ob neu besetzt, wird sich zeigen. Viel mehr als der Termin der Bürgermeisterwahl steht zum Jahreswechsel noch nicht fest. Einzig die Amtsinhaberin hat schon ihre Kandidatur angemeldet. Nach Gesprächen in der Familie und mit Freunden habe sie sich entschieden, erneut anzutreten, wieder als Einzelbewerberin, sagte Dr. Sabine Michalek in November bei ihrem „Ja, ich kandidiere“ während einer CDU-Versammlung. Die Christdemokraten, ihre politische Heimat, werden die 52-Jährige wieder unterstützen, das ist sicher. Doch wer noch? 2013 standen auch die GfE und die FDP hinter ihr. Sie werde um Unterstützer werben, sagte Michalek. Die Umworbenen zieren sich bis dato noch mit öffentlichen Aussagen dazu. Zu früh, winken einige ab. Erstmal schauen, wer bei der SPD antritt, sagen andere. Da werden wir also noch warten müssen, bis die Ausgangslage klar ist und Erfolgschancen eingeschätzt werden können. Klar ist, dass niemand sich als Bürgermeister innerhalb von acht Jahren ausschließlich Freunde gemacht haben kann. Es gibt Enttäuschte. Wie viele, wird sich zeigen. Spannend wird zu beobachten sein, mit welchen politischen Aussagen Michalek ins Rennen gehen wird, mit welchem Programm. Allein ein „weiter so, weil vieles gut war“ wird nicht genügen. Ziele sind gefragt, echte Ziele. Und wer kandidiert bei der SPD, der größten Fraktion im Einbecker Stadtrat? Die Sozialdemokraten haben ihre Mitglieder in den Tagen vor Weihnachten zu Bewerbungen aufgerufen. Bis Mitte Januar kann sich melden, wer sich berufen fühlt zu kandidieren. Nach Ende dieser Frist wird es ein parteiinternes Auswahlverfahren geben, am Ende steht eine Kandidatenwahl am 19. März. Gehandelt werden derzeit verschiedene Namen, bislang ausschließlich Ratsherren. Traut sich eine Frau? Gibt es aussichtsreiche Bewerbungen aus dem Mitgliederkreis? Auf diese Fragen wie auf viele andere wird das kommende Jahr eine Antwort geben, ganz sicher. Und vielleicht gibt es ja sogar eine weitere Einzelbewerbung ohne Parteibuch, wer weiß. Auffällig ist jedenfalls seit ein paar Wochen, dass einige potenzielle Bewerber deutlich stärker bei Facebook, Instagram & Co. aktiv sind bzw. sich dort neue Accounts eingerichtet haben. Und auch die Bürgermeisterin, das ist jedenfalls mein Eindruck, beginnt wieder, eigene Beiträge zu posten und nicht mehr allein die anderer Nutzer zu teilen.
Der Neustädter Kirchplatz wird 2020 das große kommunalpolitische Thema bleiben, selbst wenn mit viel Verzögerung jetzt endlich die ersten Bagger dort zu sehen sind und erste Abrissarbeiten stattfinden. Die Platzneugestaltung wird auch, neben dem auf Eis gelegten Ausbau Tiedexer Straße und den jetzt an Externe vergebenen Planungen für den ZOB, zu einem der großen Wahlkampfschlager werden, siehe oben. Vielleicht eröffnet sich beim Dauerbrenner Strabs (Straßenausbaubeitragssatzung) ja noch Anfang des Jahres eine Lösung, die den Konflikt befrieden kann. Ausschließen will ich das nicht. Beschlossen ist das aber auch noch nicht. Es wird ohnehin einige Kontrahenten im Bürgermeisterwahlkampf nicht davon abhalten, die Kirchplatz-Platte wieder und wieder aufzulegen: Zu teuer, zu falsch geplant. Und falls sich lange Zeit auf der Baustelle Neustädter Kirchplatz nichts sichtbar tut, ist das Wasser auf die Mühlen der Kritiker, selbst wenn es Gründe geben sollte. Selbst Gutmeinende haben beim jüngst auf der Baustelle platzierten Trafohäuschen das Grübeln begonnen, ob da die Entscheidenden wissen, was sie tun und es vor allem auch richtig kommunizieren. Wir werden im kommenden Jahr sehen, ob die Planungen für den Neustädter Kirchplatz noch einmal so verändert werden, dass von dem Gewinnerentwurf des Architektenwettbewerbs nicht mehr viel Substanz übrig bleibt. Das wäre ein fatales Signal für künftige Ausschreibungen dieser Art. Man könnte sie sich gleich sparen und das Geld sinnvoller verwenden, wenn man sowieso jeden fachlichen Ratschlag ignoriert, weil man es besser zu wissen glaubt.
Das mit dem besser wissen wird auch auf der Tagesordnung 2020 stehen. Ist das Porzellan, das zerschlagen wurde, noch zu kitten? Gibt es noch eine Vertrauensbasis, ohne die eine Zusammenarbeit imgrunde schlechterdings nicht denkbar ist? Ich meine den Mega-Zoff um die 380-kV-Klage der Stadt Einbeck, der erst vor wenigen Tagen im Stadtrat eskaliert ist. Ich habe in mehr als 20 Jahren kommunalpolitischer Berichterstattung noch nie eine so poltrige, unharmonische Vorweihnachtssitzung erlebt und prohezeihe eher, dass die SPD dieses Thema und die „Causa Schröder“ noch befeuern wird, vor allem im Bürgermeisterwahlkampf. Fehler zuzugeben ist ja ohnehin in der Politik selten. Auf der anderen Seite sollte sich vermutlich auch Dr. Florian Schröder künftig mäßigen, wenn mit ihm mal wieder verbal die ironischen Pferde durchzugehen drohen. Ironie versteht nicht jeder. Leider.
Zum Jahresanfang startet Einbeck Marketing mit einer neuen Geschäftsführerin. Anja Barlen-Herbig will beim Neujahrsempfang am 17. Januar ihre Agenda vorlegen, dann läuft die übliche 100-Tage-Frist, vor der sich eine Bewertung ihrer Arbeit und Person nicht ziemt. Allein jedoch die Konstallation, die es ab Januar im Eicke’schen Haus geben wird, wirft Fragen auf: Die neue Stadtmarketing-Chefin Barlen-Herbig wurde (bewusst?) auch als erfahrene Touristikerin ein- und vorgestellt. Bekanntlich ist die Tourist-Information der Stadt im gleichen Gebäude zuhause. Deren Chefin Ulrike Lauerwald hat zurzeit einen Markenbildungprozess angeschoben, der vor allem touristisch für Einbeck wichtig ist. Bleibt Einbeck die Stadt der Brau- und Fachwerkkunst? Oder wird Einbeck die Stadt der Mobilität (der PS-Speicher lässt selbstbewusst grüßen), in der gutes Bier gebraut wird und übrigens auch Fachwerkhäuser stehen? Die Frage wird zu klären sein, wer in Einbeck für Tourismus zuständig ist und das Sagen hat (und wer nicht), um nicht neue Doppelstrukturen aufzubauen (wie bei der Wirtschaftsförderung). Ulrike Lauerwald und ihr Team sowie Anja Barlen-Herbig und ihr Team werden sich zusammenraufen müssen. Ob das gelingt? Auch auf diese Fragen werden wir 2020 Antworten erhalten. Das heißt nicht, dass uns diese alle gefallen müssen.
Werden denn in der großen Brandlücke an der Altendorfer Straße irgendwann doch wieder ein oder zwei Häuser gebaut oder lassen wir dort wie in der Langen Brücke lieber unsere Kinder spielen? Auch diese Frage wird 2020 eine Antwort erhalten. Zugegeben, die Frage ist etwas unfair formuliert, denn wohl niemand will an der viel befahrenen Durchgangsstraße einen Spielplatz installieren. Nicht so wie in der Langen Brücke 5. Aber Container mit Oldtimer-Werbung sind auf Dauer zu wenig. Eng verknüpft mit möglichen Bauplänen für das Quartier an der Ecke zur Backofenstraße ist die Frage nach der Zukunft der Einbecker Hospitalstiftungen, die ursprünglich schon zum Jahreswechsel aufgelöst werden sollten. Bei allem Geschichtsbewusstsein für eine Jahrhunderte alte Institution: Auch für die Hospitalstiftungen, denen einige nicht mehr taufrische Immobilien gehören, gilt der Grundsatz: Eigentum verpflichtet. Und wenn in Zeiten des Niedrigzinses eine Stiftung wie diese nicht mehr genügend eigene Mittel hat, um Sanierungen und unter Umständen Neubauten zu stemmen, sollte man sie vielleicht im millionenschweren Etat der Stadt Einbeck integrieren und damit ausreichende Finanzkraft generieren: für Wohnungsbau beispielsweise. Oder man fragt andere naheliegende Unternehmungen, die sich mit Bauen und Wohnen auskennen.
Auch diesmal ließen sich noch viele weitere Themen nennen, die Kommunalpolitik und Öffentlichkeit im kommenden Jahr beschäftigen werden. Als Stichworte seien hier nur genannt: Multifunktionshalle (wird sie rechtzeitig fertig und im Kostenplan bleiben, wird sie vom jugendlichen Zielpublikum angenommen?), „Wissensquartier“ (werden die Pläne für die Zusammenfassung von Museum, Archiv und Bibliothek an einem Standort konkreter und was bedeutet das auch personell?), Spielplatz Lange Brücke (wird das komplett spendenfinanzierte Projekt in 2020 eingeweiht?).
Besonders aber freue ich mich wieder auch auf Überraschungen, auf Unvorhergesehenes. Denn es werden erneut politische Themen auf die Tagesordnung schaffen, die heute niemand erahnt. Auch 2020 lesen Sie davon in diesem Blog.