Wenn’s im Stadtrat ums Geld geht, prallen die unterschiedlichen Auffassungen von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit immer besonders deutlich aufeinander. Und wenn dann noch eine Bürgermeisterwahl bevorsteht, können Beobachter die Wiederauflage einer schon mehrfach gezeigten Inszenierung sehen: Wer hat eigentlich am meisten Ahnung, wie ein kommunaler Haushalt zu führen ist?
Die September-Sitzung des Stadtrates wäre eigentlich der übliche Zeitpunkt gewesen, den Haushaltsentwurf für das kommende Jahr zur Beratung vorzulegen. Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek erläuterte, warum sie in diesem Jahr davon abweicht. Den Etat 2021 jetzt einzubringen, wo es keine belastbaren Grundlagen für die Einnahmen gebe, bezeichnete sie als unverantwortlich. Viele Kommunen würden das ähnlich sehen und die Haushaltsplanentwürfe später vorlegen, nachdem die neuesten Steuerschätzungen nach Sonderterminen vorliegen. Sie werde den Entwurf im Dezember einbringen, nach den Beratungen in den politischen Gremien könnte der Haushalt dann im März 2021 beschlossen werden. „Die Corona-Pandemie wird sich in erheblichem Umfang auswirken, deutlich sinkende Einnahmen aus Gewerbesteuer und kommunalen Anteilen an Einkommens- und Umsatzsteuer sind schon 2020 bittere Realität“, sagte Michalek. „Wie es in den kommenden Jahren aussehen wird, wird erst nach und nach sichtbar werden.“
Für die SPD ist das ein Wegducken der Bürgermeisterin. Den zeitlichen Verzug, der dadurch entstehe und sich auf Projekte erheblich auswirken werde, habe die Bürgermeisterin zu verantworten, machte SPD-Fraktionschef Rolf Hojnatzki deutlich: „Wir könnten, wenn Sie wollten, aber Sie wollen nicht, also können wir nicht.“ Man könnte das als Wahlkampf bezeichnen, den Haushaltsentwurf auf einen Zeitpunkt nach dem Wahltermin zu verschieben. Unabhängig von Corona hätte ein Haushalt eingebracht und dann später nach den Steuerschätzungen aktualisiert werden können. Alles andere sei Unfug. Wenn man immer bis zur nächsten Steuerschätzung warten wolle, könne man ja nie einen Etat verabschieden.
Die SPD hätte in den letztlich einstimmig verabschiedeten zweiten Nachtragshaushalt 2020 auch noch gerne Mittel für die neuen Fenster im Bürgerhaus Kreiensen einkalkuliert. CDU-Fraktionschef Dirk Ebrecht verstand das nicht: „Es läuft doch“. Die Mittel seien doch im Haushalt. „Ich verstehe die Panik nicht“, sagte Ebrecht, oder sei das etwa Wahlkampf? Finanzen-Fachbereichsleiter Dr. Florian Schröder bestätigte, dass das Geld für die Fenster bereits im Haushaltsplan stehe. „Wir brauchen keinen politischen Beschluss.“ SPD-Fraktionschef Rolf Hojantzki sah das anders: Der nun anders verwandte, eigentlich für den Endausbau Baugebiet Dreilinden vorgesehene Betrag (60.000 Euro) müsse als überplanmäßige Ausgabe vom Rat beschlossen werden. Wohin welche Mittel gehen, das sei Aufgabe des Stadtrates und nicht der Verwaltung. Und die Bürgermeisterin habe eine entsprechende Beschlussvorlage im Juni-Stadtrat ja auch angekündigt. Auf die warte man allerdings leider vergeblich.
Auch SPD-Bürgermeisterkandidat und Ratsherr Dirk Heitmüller schaltete sich kurz in die Debatte ein. „Am Finanzmanagement muss dringend gearbeitet werden“, sagte er. Es lägen keine Controllingberichte und Jahresabschlüsse vor, von der angekündigten Haushaltssperre sei auch keine Rede mehr. Das heutige Sachgebiet Haushalt müsse man wegen seiner Bedeutung zu einem eigenen Fachbereich machen, forderte Heitmüller. Das, entgegnete Finanzen-Fachbereichsleiter Dr. Florian Schröder, könne man nicht mit einem Nachtragshaushalt erledigen, die Organisation sei Aufgabe der Bürgermeisterin, „die ja noch eine Bürgermeisterin ist“.
Wann es denn beim Bürgerhaus Kreiensen auch endlich wie versprochen losgehe, wollte unter anderem Dieter Henze (Marinekameradschaft Admiral von Hipper, einer der Nutzer des Bürgerhauses) in der Einwohnerfragestunde wissen. „Es ist geplant, mit den baulichen Maßnahmen noch in diesem Jahr zu beginnen“, hatte Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek etwas wolkig gesagt. Baudirektor Joachim Mertens räumte eine Verzögerung seit der Juni-Ratssitzung ein, weil viele andere Projekte abzuarbeiten gewesen seien. Nun aber gebe es Termine im September mit Heizungsbauer und Dachdecker. Für die 90 Jahre alten Fenster habe es keine Pläne mehr gegeben, diese müssten jetzt vor der Erneuerung erst noch gezeichnet werden, um sie ersetzen zu können.
Frank-Dieter Pfefferkorn (Bürgerliste) brachte es auf den Punkt: Dem Bürger sei egal, aus welchem Topf das Geld beispielsweise für die Fenster im Bürgerhaus Kreiensen komme. Entscheidend sei, dass die Sanierung auch tatsächlich wie versprochen geschehe. Er sei im Übrigen aber schon dafür, dass wenigstens der Finanzausschuss zur städtischen Finanzlage bald tage, sagte der Vorsitzende dieses Fachausschusses. Durch den Weggang der Kämmerin im Sommer seien weitere Baustellen im Finanzbereich aufgelaufen, da müsse wenigstens der Finanzausschuss über die aktuellen Zahlen und die Schätzungen von Steuerausfällen ins Bild gesetzt werden.
